Mittlerer Süden Chiles, auch die "Schweiz Chiles" genannt, und auf der argentinischen Seite der Anden zurück nach S.C. Bariloche vom 9.3. bis 14.4.2012

Unser Weg um die Vulkane Chiles
Unser Weg um die Vulkane Chiles

"Conocer el pasado para valorar el presente y proyectar el futuro" ist das Motto des Auto-Museums Moncopulli, bei Entre Lagos  in Chile. Auf einer Estancia der Grösse 400ha (ein kleinerer Schweizer Bauernbetrieb hat etwa 10ha) hat Bernardo Eggers, genannt Don Bernardo, ein Museum errichtet mit über 100, teilweise noch sehr revisionsbedürftigen Autos, vorwiegend der Marke Studebaker. Nachdem wir eine halbe Stunde im Museum sind, kommt Bernardo, ein 80 jähriger Mann zu uns. Sein Urgrossvater war aus Deutschland eingewandert. Die Familie legt aber grossen Wert auf den Erhalt der Sprache, und so können auch seine Söhne und Enkel noch deutsch. Er erzählt, wie er dazu kam 1995 auf seinem Land, in ziemlich entlegenem Gebiet, ein Museum zu errichten. Bernardos Zuneigung zu Studebakers entstand aus seinen eigenen Fahrzeugen dieser Marke. Die Firma baute 1902 als erste Autos mit Elektromotoren. Wie wir heute sehen, waren sie der Zeit 100 Jahre voraus und mussten schon bald auf den Antrieb mit Verbrennungsmotoren umstellen. 1960 waren die Pioniere bei Studebakers längst gestorben und die Nachfolger überliessen das Geschäften den Managern. Sie entschieden die Produktion ins billigere Ausland zu verlegen...  um 1968 Pleite zu machen. 


Wir sind in ein Gebiet gekommen, wo es aussieht wie in Deutschland. Auch die Namen lassen auf deutschen Ursprung schliessen, wie etwa das Restaurant „Guten-Appetit“. Auch „Kuchen“ wurde hier ins Spanische übernommen. In den Museen, die zu den besten Chiles gehören, erfahren wir viel über die Geschichte der Region bei Puerto Varas. Das Deutschland des frühen 19. Jahrhunderts war in einer scheinbar aussichtslosen politischen und wirtschaftlichen Lage. So emigrierten mehr als eine Million Menschen in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Zwischen 1846 und 1875 verliessen 66 Schiffe den Hamburger Hafen nach Chile. Die überwiegende Mehrheit der Passagiere trat eine Reise ohne Wiederkehr an. Ihre Entscheidung auszuwandern bedeutete einen Abschied für immer. Die Überfahrt in den wenig robusten Segelschiffern führte am gefürchteten Kap Horn vorbei und dauerte bis zu 5 Monate. Wie komfortabel und einfach ist dies doch für uns vor 6 Monaten gewesen.

 

Im Internet haben wir den Wetterbericht für die Region gelesen. So wagen wir es trotz Kälte, Regen und Nebel zur Talstation der Sesselbahn am Vulkan Osorno hochzufahren. Im Restaurant, wo wir fast die einzigen Gäste sind, bekommen wir auf Anfrage das Passwort und haben sogar hier, weit abseits der Zivilisation mit Wi-Fi Internetzugang bequem aus unserem Reisemobil. Wir übernachten auf dem grossen Parkplatz, wo wie ab 17 Uhr ganz alleine sind. Am nächsten Morgen zeigt sich ein strahlender Sonnenaufgang, direkt neben dem Vulkan. Wunderbar ist die Aussicht! Es gefällt uns so gut, dass wir den ganzen Tag dort bleiben und eine zweite Nacht dort verbringen. Margrit wandert Richtung Spitze des Osorno. Ganz besteigen will sie ihn aber nicht. Es geht nur mit Seil, Steigeisen und Bergführer mit erheblichen Kosten.


Bei weiterhin strahlendem Herbstwetter fahren wir rund um den Lago Llanquihue herum und landen im kleinen Ort Puerto Octay. Wir parken in der Ortsmitte und Margrit geht einkaufen. Während Peter im Fahrzeug sitzt, kommen zwei Leute auf ihn zu. Sie stellen sich als Sylvia und Paul vor. Die beiden Deutschen reisen mit ihrem 11 Tonen schweren und 3.8m hohen Reisemobil seit 2.5 Jahren in Südamerika herum. Es gibt viel zu erzählen und wir entschliessen uns, einen weiteren Tag an dieser  idyllischen Lage am See zu bleiben. Während wir den Tag geniessen, kommt eine Chilenin, die im Nachbarhaus wohnt zu uns. Die Frau kann gut Deutsch, da auch ihr Urgrossvater aus Deutschland eingewandert ist. Sie offeriert uns Wasser, Dusche, Waschmaschine. Gerne nehmen wir die Einladung an, waschen unsere Kleider und füllen den Wassertank auf. 

 

Auf unserer Weiterfahrt nach Osorno nutzen wir als Übernachtungsplatz erstmals eine „Copec Pronto“ Tankstelle. Hinter dem Restaurant finden wir einen einigermassen ruhigen Platz, können für umgerechnet 1 Franken Duschen und haben während 24 Stunden WC und Internet mit Wi-Fi gratis. Gratis duschen können wir am nächsten Tag am Lago Ranco. Das Wasser aus dem See ist allerdings recht frisch und Margrit muss es mit dem Eimer dort holen. Erneut verbringen wir einen wunderbaren, sonnigen Tag am Seeufer, wo auch die Kühe aus dem naheliegenden Bauernbetrieb zur Tränke kommen. Hier finden wir auch Zeit, ein paar kleinere Wartungsarbeiten am Fahrzeug zu erledigen.

 

Dass Seelöwen Fische fressen, wussten wir. Dass sie sich die Fische vom Fischmarkt holen, sehen wir erstmals in Valdivia. Sie tummeln sich direkt hinter den Fischständen und warten bis ihnen einer der Händler Reste eines Lachses oder Seehechts zuwirft. Wenige Kilometer ausserhalb des Stadtzentrums, sehen wir auf dem Stadtplan im Fluss Rio Valdivia eine Insel mit einem Museum. Es weckt unser Interesse. In unserem Reiseführer finden wir nichts darüber. Auf der Touristeninformationen sagen sie uns, man müsse mit dem Boot auf die Insel, es gebe täglich drei Fahrten. Also finden wir uns rechtzeitig an der Anlegestelle ein. Luis Carvajal Gomez führt uns mit dem Boot auf die Insel. Neben dem neu erstellten Museum sehen wir nach der kurzen Überfahrt ein paar Ruinen. Es sind Überreste vom grossen Erdbeben mit anschliessendem Tsunami, das am 22. Mai 1960 Valdivia zerstörte. Das Erbeben hatte die Stärke 9.5, das Epizentrum lag vor der Küste der Stadt in 35km Tiefe. Die Katastrophe forderte rund 1700 Menschenleben. Wir sind die einzigen Museumsbesucher und Luis erzählt uns viel über Ursache, Ablauf und Folgen des Erdbebens. Er spricht langsam und deutlich, so dass wir trotz unserer beschränkten Spanisch-Kenntnisse viel mitbekommen.

 

Nach der Stadt fahren wir wieder zu einem See, dem Lago Calafquén. Der uns von anderen Reisenden empfohlene Übernachtungsplatz ist nicht mehr zugänglich. Beim Dorf Traitraco finden wir einen schönen Platz an der Flussmündung, auf Sand. Mit unserem Duro kommen wir problemlos durch den Sand. Gerade als wir mit Nachtessen beginnen wollen, hören wir, wie sich ganz in der Nähe ein Fahrzeug im Sand fest gräbt. Schnell eilt Margrit zu Hilfe. Bevor wir mit Gurten und Duro hinfahren, holt Margrit unsere „Sandbleche“. Sie genügen, um den chilenischen PW wieder frei zu kriegen.

 

Am 22. März treffen wir äusserst interessante und sehr nette Menschen, Hans und Truus Saler. Sie wohnen seit 16 Jahren im chilenischen Pucon. Hans stammt aus München, Truus aus Holland. Hans Saler wurde bereits in jugendlichen Jahren Extrembergsteiger.  Zu den vielen namhaften Wänden die er bestieg, gehörte 1967 auch die Eigernordwand. Drei Jahre später war er der jüngste Teilnehmer der Expedition  nach Pakistan – mit der Vision, über die grösste Steilwand der Erde, die 4500m hohe Rupalwand, den Gipfel des Nanga Parbat zu erreichen. Mit dabei waren auch Reinhold Messner und sein Bruder Günther. Unter bis heute nicht bekannten Umständen, kam Günther bei der Expedition ums Leben. Nach 30 Jahren Schweigen konfrontierte nun Reinhold Messner plötzlich die damaligen Expeditionsteilnehmer mit Vorwürfen. Hans Saler reagierte darauf mit dem Buch „Zwischen Licht und Schatten“ (ISBN 978-3-940666-12-3). Er rückt die Umstände von damals, die lange im Schatten lagen, in ein neues Licht. Zugleich zeichnet er ein packendes und menschliches Bild dieser legendären Expedition bei der der Berg sein 33. Opfer forderte. Reinhold Messner versuchte erfolglos das Erscheinen des Buches gerichtlich zu verhindern. In seinem zweiten Buch „Gratwanderungen meines Lebens“ beschreibt Hans seine Lebensgeschichte, zu dem auch der Prozess von Messner gegen ihn und seinen Verlag gehört. 

 

Diese Dinge interessieren uns sehr, und stundenlang sitzen wir mit Truus zusammen, die uns vieles über sich und Hans zu erzählen weiss. 1981 kam er nach Bolivien. Dort traf er Truus und sieben Tage später waren sie verheiratet. Nach 4 Jahren brachen sie ihre Zelte ab und segelten im selbstgebauten Segelschiff 4.5 Jahre auf den Weltmeeren umher. Danach lebten sie in Mexiko, im hohen Norden Kanadas in einer abgeschiedenen Blockhütte, reisten mit einem VW-Bus u.a. durch Nordamerika und waren schliesslich für ein Jahr in Thailand, Malaysia und Indonesien, wo sie vorwiegend bei Bergstämmen lebten. Im chilenischen Pucon, in der Seen Region, auch die „Schweiz Chiles“ genannt, haben Hans und Truus am Fusse des aktiven Vulkans Villarrica, ein kleines Häuschen in Form eines Bootes gebaut. Mehrere Tage stehen wir mit unserem Reisemobil neben dem Häuschen zusammen mit zwei Eseln,  drei Lamas und zwei Hunden. Dabei fallen uns verschiedene Dinge über das Leben in Chile auf. So hat es im Haus zwar Elektrizität, die Freileitungen sind aber aus Aluminium. Dabei gehört ausgerechnet Chile zu den weltweit grössten Kupferlieferanten. Eine Gasleitung zum Haus gibt es nicht, sie müssen mit Gasflaschen hantieren. Genauso müssen sie ihren Kehricht selbst ins Dorf bringen. Ebenso die Zufahrt zu ihrem Haus mit der Brücke, haben die beiden selbst gebaut. Wir erfahren auch, dass der Mindestlohn eines Arbeiters in der Gegend umgerechnet 375 Franken pro Monat beträgt. Lebensmittel haben etwa den halben Preis wie in der Schweiz. Autos, Computer, Fernseher sind gleich teuer wie in der Schweiz und der Liter Benzin kostet etwa 1.45 Fr. Sich mit dem Mindestlohn ein Auto oder Ferien zu leisten, ist schlicht unmöglich.

 

Schon seit einiger Zeit zeigen sich am Motorblock unseres Duro Ölspuren. Neuerdings deutet auch die Radfelge vorne rechts auf eine Undichtigkeit im Radantrieb hin. Truus führt uns in eine gute Autowerkstatt. George, der Besitzer der Werkstatt, diagnostiziert eine defekte Ventilkopfdichtung. In zwei Stunden hat er eine neue Dichtung, die er selbst zuschneidet, installiert und der Motor ist wieder dicht. Beim Radantrieb ist die Radialdichtung defekt. Eine Ersatzdichtung sowie Spezialwerkzeuge für deren Austausch haben wir sicherheitshalber von zu Hause mitgenommen. Da deren Austausch nicht dringend ist, begnügen wir uns mit dem Nachfüllen von Schmieröl und verschieben deren Austausch auf die Zeit nach unserer Rückkehr aus der Schweiz. Das gibt uns Gelegenheit, noch mit unserem Mechaniker zu Hause zu reden. Dank Truus können wir schon mal die Anleitung für die Reparatur ins Spanische übersetzen.


Gerne würde Margrit den 2840m hohen Vulkan Villarrica besteigen. Wegen starkem Steinschlag ist aber die Zeit ungünstig und der Wunsch-Bergführer Hans Saler ist auch nach Indien abgereist. So bleibt es beim Anschauen des Vulkans von unten. In der Nacht sehen wir ein erstaunliches Phänomen. An einigen Wolken spiegelt sich die rot glühende Lava im Innern des Kraters. Leider können wir das nicht fotografieren. 

 

Auf schmalen Nebenstrassen besuchen wir mehrere chilenische Nationalparks, im Grenzgebiet zu Argentinien.  So kommen wir beim Vulkan Lleima vorbei. Von ihm sind 49 Ausbrüche bekannt, die letzten 1927, 1957, 1994 und 2008. Siedend heisse Lava lief den Vulkan hinunter, alles verbrennend was ihr in den Weg kam. Das führte zu einer Mondlandschaft, die wir durchfahren. Beim schönen Übernachtungsplatz, an einem See ausserhalb der Lavazone, entdecken wir erstmals am Morgen draussen Raureif. Es ist Herbst geworden. Gegen Mittag wärmt die Sonne wieder kräftig auf, und Margrit muss auf ihrer 6 stündigen Bergtour bei wunderbarem Wetter nicht frieren.

 

Vom Besitzer das Gasthauses „Andenrose“, wo wir östlich von Curacautin mit unserem Reisemobil auf einer schönen Wiese hinter dem Restaurant übernachten, erhalten wir den Tipp, zum Vulkan Lonquimay hoch zu fahren. Von der Strasse aus können wir so in den Krater Navidad hineinschauen, etwas was sonst für Peter nur aus dem Flugzeug möglich wäre. Nach 40km Fahrt durch unwirkliche Vulkangegend mit enger und steiler Staubpiste, stehen wir vor einem geschlossenen Gatter. Normalerweise bedeutet das für uns umkehren. Von der „Andenrose“ wissen wir aber, wir dürfen das Gatter öffnen und weiter fahren. Es ist eine öffentliche Strasse. Der reiche Besitzer des angrenzenden Landes, auf dem er einen Privatflugplatz  hat, will aber nicht gestört werden. Deshalb die eigentlich unzulässige Schikane. So fahren wir mit 10-30 km/h durch eine wunderbare Gegend, entlang dem Fluss BioBio nach Lonquimay.

 

Nun nehmen wir erneut Abschied von Chile. Über den Paso Pino Hachado kommen wir wieder nach Argentinien und tanken wieder vom wesentlich billigeren Diesel. Nachdem wir wochenlang strahlenden Sonnenschein hatten, kündigt der Wetterbericht nun Wind und Regen an. Wir beschliessen, die Strecke so zu wählen, dass wir bei Regen für längere Strecken auf asphaltierte Strassen ausweichen können. 

 

In Aluminé fahren wir auf einen Hinweis von anderen Reisenden, zu einem von Ureinwohnern, den Mapuche, geführten Camping am Lago Ruca Choroi. Die Lage zwischen den Bergen am See ist wunderbar. Mit 6 Franken ist auch die Gebühr bescheiden. So ist allerdings auch die Infrastruktur. Ausser Feuerstellen mit Tischen und Bänken gibt es gar nichts und Aufräumen scheint auch nicht im Interesse der Mapuche zu sein. Bei Temperaturen um die 5 Grad Celsius und Wind mit über 50km/h, ziehen wir es vor, in unserem beheizten Reisemobil zu bleiben.

 

Zurück in Aluminé stossen wir zum Fiesta Nacional del Pehuén. Wir bleiben am Nachmittag dort und schlendern durch die vielen Marktstände. Wieder ergibt sich spontan ein netter Kontakt. Eine Frau schenkt uns von den Empanadas die sie verkauft und wir wechseln mit ihr ein paar Worte. Sehr freundlich stellt sie uns ihre Familie vor, die alle beim Herstellen und Verkaufen der Teigtaschen mithelfen. Lachend meint sie, wenn sie einmal nach „Suiza“ komme, werde sie uns besuchen. Bis das Geld dafür reicht, wird sie noch viele Empanadas und Choripan verkaufen müssen.

 

Junin de Los Andes und San Martin de Los Andes, beides Touristenorte, zeigen sich uns bei wunderbarem Herbstwetter und zu dieser Jahreszeit fast ohne Touristen. Dafür treffen wir erneut auf Heinrich und Laura aus Steffisburg, die wir vor einem Monat in Chile getroffen haben. Sie waren vor einem Jahr schon mit ihrem Reisemobil in Peru, und sind jetzt wieder auf den Weg dorthin. Bei diesen Begegnungen gibt es immer viel zu erzählen und wir können wertvolle Tipps austauschen. Da das Wetter weiterhin schön bleibt, wählen wir die wenig befahrene, zwar teilweise recht holprige aber schöne Passstrasse über den 1300m hohen Paso del Córdoba nach Confluencia und San Carlos de Bariloche.

 

Wie wir in Bariloche zu einer Einladung für eine Hochzeitsfeier kommen und auch eine Bekannte aus Schwyz treffen, erzählen wir persönlich oder dann in unserem nächsten Reisebericht, den wir voraussichtlich etwa Ende Juni 2012 schreiben werden.

 

Am 16. April werden wir die knapp 1600km nach Buenos Aires in einer 19 stündigen Busfahrt zurücklegen. Am 18. April hoffen wir mit dem Flugzeug in der Schweiz einzutreffen, wo wir bis am 22. Mai bleiben werden.