Im südlichsten Teils Südamerikas, beidseits der Magellanstrasse vom 27.12.2011 bis 26.1.2012

Unser Weg von Feuerland durchs südliche Chile
Unser Weg von Feuerland durchs südliche Chile

Feuerland (Tierra del Fuego) heisst die sturmumtoste Insel ganz im Süden von Argentinien und Chile. Der Portugiese Ferdinand Magellan gab ihr diesen Namen, als er 1520 den Durchgang zwischen Atlantik und Pazifik entdeckte. Bei seiner Durchsegelung sah er am Ufer seltsam erhellte flackernde Feuer, was ihn zur Namensgebung veranlasste.

 

Am 26. Dezember 2011 treffen wir in der südlichsten Stadt unserer Reise, in Ushuaia ein. Hier treffen wir neben einigen andern Reisenden auch unsere Mitreisenden vom Frachtschiff. Per Mail haben wir bereits erfahren, dass ein Wohnmobil nur mit dem Abschleppwagen auf den Campingplatz kam. Für den 27. Dezember haben die Unglücklichen einen Termin in einer Renault Garage. Selbstverständlich ziehen wir mit unserem Duro das nicht selbst fahrfähige Wohnmobil dorthin. Etwa 2 Stunden später hat der Mechaniker das Problem gefunden, den in der Schotterpiste abgefallenen Schlauch neu befestigt und die beiden können glücklich alleine weiter fahren. In den nächsten Tagen erleben wir auf einer kurzen Schifffahrt die stürmischen Gewässer im Beagle Kanal und besuchen das für argentinische Verhältnisse sehr gut gemachte Museum im ehemaligen Gefängnis. Zum ersten Mal auf der Reise erleben wir hier, dass Rollstuhlfahrer und Begleitperson von den Eintrittskosten befreit sind.

 

Den Jahresübergang 2011/2012 feiern wir wieder alleine für uns, auf einem schönen Platz bei einem Bächlein im Nationalpark Ushuaia. Margrit nutzt den sonnigen Tag für eine Wanderung auf den Cerro Guanaco, von Meereshöhe auf 973 Meter. Am 2. Januar fahren wir westwärts zur Estancia Haberton. Der britische Missionar Thomas Brodges und später sein Sohn, versuchten hier anfangs des 19. Jahrhunderts, die bedrohten Ureinwohner (Yamanas) Südfeuerlands zu schützen. Sie waren nur etwa 1.50m bis 1.60m gross und lebten trotz dem kalten Klima nackt. Die ersten Europäer hielten die Ureinwohner für "dumm, unterentwickelt und degeneriert" (John.R.Forster 1774) oder als "Untermenschen ohne spirituelle Vorstellungen" (Darwin 1853). Zudem waren die ersten Begegnungen mit Europäern mit blutigen Kämpfen verbunden, Gewehre gegen Pfeilbogen. Zusätzlich verschleppten die Europäer Yamanas, stellten sie in Zoos aus (Buenos Aires, London, Paris 1881) und bezeichneten sie als Kannibalen. Die Europäer brachten den Ureinwohnern Kleider. Mangels angepasster Hygiene wurden die Ureinwohner damit aber krank. Mit den Missionaren brachten die Europäer auch neue Krankheiten, wie Masern und Tuberkulose, an denen die Yamanas starben. Zu allem Überfluss brachten die Europäer auch noch Alkoholprobleme ein. Als dann Farmen für die Schafzucht gebaut und zudem Goldgräber eintrafen, hatten die Ureinwohner keine Überlebenschance mehr. Von 3500 im Jahre1886 schrumpfte deren Zahl bis 1916 auf 300, anschliessend starben sie vollständig aus.

 

Bereits vor Weihnachten war an einem von Peters Zähnen ein Teil abgebrochen. Obwohl nicht mit Zahnschmerzen verbunden, wollten wir die Sache baldmöglichst in Ordnung bringen. So suchen wir im grössten Ort von Feuerland, Rio Grande, nach einem Zahnarzt. Bei der Touristeninformation bekommen wir Adressen und so gelangen wir zu einer Gemeinschaftspraxis. Dr. Diego Montero, ein 30 jähriger Zahnarzt, nimmt sich kompetent der Sache an. Sogleich macht er die notwendigen Arbeiten um bis am nächsten Tag einen genau eingepassten Zahnersatz zu erstellen und dann einzusetzen. Alles mit modernsten Mitteln eines Zahnarztes.

 

Am nächsten Tag wollten wir auf einer Schotterpiste zum Grenzübergang nach Chile weiterfahren. Kurz vor der Grenze machten wir einen Halt, um noch vorhanden Früchte, die man nicht über die Grenze nehmen darf, zu essen. Beim Öffnen der Türe bemerken wir einen starken Dieselgeruch um dann gleich festzustellen, dass nun erstmals auch der Haupttank in einer Schweissnaht einen Riss hat und Diesel ausfliesst. Aus dem gleichen Grund hatten wir schon den Reservetank mehrmals schweissen müssen, um dann vor 2 Tagen feststellen zu müssen, dass er erneut undicht geworden ist. So konnten wir nicht weiterfahren. Zum Glück war der Riss in der oberen Tankhälfte und wir konnten Diesel abpumpen und in die leeren Kanister die wir auf dem Dach mitführen, einfüllen. Sogleich denken wir an den netten Zahnarzt und beschliessen, die 70km zurück zu fahren und ihn nach einem Fachmann in der Stadt zu fragen. So parken wir erneut vor der Zahnarztpraxis. Noch bevor wir aussteigen können, kommt unser Zahnarzt Diego in Arbeitskleidung aus der Praxis zu uns hergerannt. Er fragt nach dem Grund unseres Besuchs und nennt uns gleich die Adresse eines Mechanikers. Derweil muss sein Patient im Zahnarztstuhl warten. Gleichzeitig lädt er uns für Samstag Abend bei sich und seiner Familie zum Nachtessen ein.

 

Zwar kann der vom Zahnarzt angegebene Mechaniker uns nicht selbst helfen. Durch ihn kommen wir aber schliesslich zu einer VW-Lastwagen Garage, die sich unseres Problems annimmt. Wir haben genug vom erfolglosen Schweissen und wollen neue Tanks aus Stahl. So werden am Freitag Abend um 18 Uhr noch die Masse aufgenommen und zwei Tanks in Auftrag gegeben. Wir sollen am Dienstag Nachmittag vorbeikommen um uns über den Stand der Arbeiten zu informieren. Am Samstag werden wir vom Zahnarzt, seiner Mutter, dem Bruder und der Schwester mit ihren beiden Kindern, sehr freundlich empfangen. Alle können recht gut Englisch, was uns die Kommunikation sehr erleichtert. Wir mögen uns gegenseitig und erzählen uns über das eigene Leben und das Leben in der Schweiz bzw. Feuerland. In den nächsten Tagen entwickelt sich eine schöne Freundschaft und wir sind täglich mit der Familie zusammen. Bis die neuen Tanks fertig eingebaut sind, dauert es bis Ende Woche. Am Freitag ist alles fertig und wir können erneut Richtung Chile losfahren.

 

Für den Grenzübertritt müssen wir zuerst aus Argentinien ausreisen, dann durch den Fluss Rio Bellavista (eine Brücke über den Grenzfluss gibt es nicht) und einige km später in Chile einreisen . An beiden Orten sind wir die einzigen Passanten und die Polizisten und Zollbeamten kommen ins Abfertigungsgebäude, um ihres Amtes zu walten. Alle sind sehr freundlich und wollen natürlich mehr über das Woher und Wohin und das Fahrzeug wissen. Nach der Fahrt zum Übernachtungsplatz am Lago Blanco, während der wir heftigen Gegenwind haben, treffen wir auf einen Mercedes Sprinter mit ZH Nummern. Wir parkieren neben ihm. Bald lernen wir die beiden Schweizer Ernst und Susanne kennen. Sie sind auf dieselbe Art wie wir nach Buenos Aires gereist, zwei Schiffe vor uns.

 

Wir bleiben ein paar Tage am idyllischen Lago Blanco, wo ausser wenigen chilenischen Fischern nur unsere zwei Reisemobile sind. Margrit nutzt das nahe, saubere Seewasser zum Waschen. Zum Trocknen muss sie die Wäsche sehr gut befestigen, da der heftige patagonische Wind sonst alles wegblasen würde. Die Temperaturen liegen tagsüber bei 15- 20 Grad, nachts zwischen 5 und 10 Grad.

 

Am 17. Januar 2012 fahren wir in die mit 5000 Einwohnern grösste Stadt des chilenischen Teils von Feuerland, nach Porvenir. Nach über 400km kommt hier die erste und einzige Tankstelle seit Rio Grande. Auf dem kaum befahrenen Weg laden wir zwei Autostopper mit grossen Rucksäcken auf. Es sind zwei junge US-Amerikaner, die zu Fuss vom südlichsten Teils Chiles nach Argentinien wollten. Beim Lago Fagnano mussten sie umkehren. Zwar gibt es eine Fähre, aber die ist streng militärisch und nimmt keine Zivilisten mit. So mussten die beiden 200km zu Fuss zurücklegen und sind froh, die letzten 250km mit uns fahren zu können, da ihre Lebensmittelvorräte nur noch für einen Tag reichen.

 

Von Porvenir setzen wir mit der Fähre in 2 1/2Stunden über die Magellanstrasse nach Punta Arenas. Hier kann man in der Zona Franca zollfrei einkaufen. Das betrifft vor allem Güter die nicht in Chile hergestellt werden. Etwa elektronische Geräte. Wir brauchen zwar nichts derartiges, nutzen aber den riesigen Supermarkt um Lebensmittel einzukaufen, den „Food Court“ um zu essen und den freien Internetzugang für Mails usw. Am nächsten Tag besuchen wir das sehr interessante lokale Museum der chilenischen Marine. Nach den Problemen mit den Dieseltanks in den letzten Wochen, schauen wir automatisch bei jeder Gelegenheit, ob der den Boden unter unserem Fahrzeug trocken ist. So gefällt uns gar nicht, als wir aus dem Museum kommend, unter dem Duro feuchte Flecken sehen. Schnell bemerken wir, dass es sich um Kühlwasser handelt. Eine erste Kontrolle zeigt, der Wasserstand im Kühler ist noch nicht alarmierend. Trotzdem wollen wir das genauer abklären und suchen am Freitag Abend noch eine Garage auf. Der Mechaniker schaut sich die Sache an und kommt zu einer wenig erfreulichen Feststellung. Undicht sei die Wasserpumpe. Wir beschliessen über das Wochenende in Punta Arenas zu bleiben und am Montag wieder zum Mechaniker zu gehen um die Wasserpumpe auszubauen und zu revidieren. Die Zeit bis dahin nutzen wir, um unseren Mechaniker zu Hause nach seiner Meinung zu fragen. Er meint, ein Wasserpumpenschaden sei nicht so wahrscheinlich, wir sollten noch zuerst die etwas versteckten Schläuche nach Lecks untersuchen. Im „Übergwändli“ machen wir uns am Samstag daran und stellen fest, dass das Wasser tatsächlich oberhalb der Wasserpumpe austritt. Das teilen wir am Montag dem Mechaniker mit und wie sich nach Demontage einiger Teile zeigt, ist tatsächlich nur eine Bride an einem Wasserschlauch locker. Erleichtert ziehen wir die Schrauben fest und können nun unbesorgt weiter fahren. Die Schotterpisten führen dazu, dass solche Probleme entstehen.

 

Knapp 300km nördlich von Punta Arenas verbringen wir die nächste Nacht in einem Camping in Puerto Natales. Da treffen wir zwei junge Österreicher, die schon seit 21 Monaten mit ihren Fahrrädern auf Weltreise sind. Auch ein australisches Paar ist mit ihren Motorrädern da. Seit 2 Monaten sind sie schon auf Reise, konnten aber in dieser Zeit nur 7 Tage fahren. Sie hatten zwei Mal Selbstunfälle und müssen jetzt warten, bis die Knochen wieder zusammen gewachsen sind.

 

Unser nächster Besuch gilt dem Nationalpark „Torres del Paine“. In unserem Reiseführer steht: „Ein Höhepunkt jeder Chile-Reise. Ein 242'000 Hektar grosses Gebiet mit atemberaubender Landschaft“. Vor 4 Wochen gab es im Park einen riesigen Waldbrand. Die Folgen sehen wir. Rund ein Drittel des Parks sind zerstört und sehen trostlos aus. Wir geniessen den intakten nordöstlichen Teil. Margrit macht Wanderungen. Am zweiten Tag wird sie nach anfänglich strahlendem Sonnenschein von heftigem Regen und den hier oft herrschenden Sturmwinden eingeholt und muss früher als vorgesehen zu Peter ins warme „Häuschen“ zurückkehren. 150'000 Touristen besuchen jährlich den Park. Unsere Erwartungen hat er nicht ganz erfüllt. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir von Schweizer Wanderwegen, Einrichtungen und Kartenmaterial verwöhnt sind.

 

Ein weiterer Grenzübergang steht bevor. Um weiter nach Norden zu fahren, wechseln wir wieder nach Argentinien. Wir geniessen jeden Tag mit vielen neuen Eindrücken, freuen uns über viele nette Kontakte und sind dankbar, dass wir ohne gesundheitliche Probleme unterwegs sein dürfen.