Im nördlichen Chile und südlichen Bolivien 5.7.2012 bis 8.8.2012

Im nordargentinischen Salta sind wir ein paar Tage mit Ernst und Susanne zusammen, die ähnlich wie wir für längere Zeit mit dem Reisemobil in Südamerika unterwegs sind. Wir beschliessen, ein paar Tage zusammen zu reisen. Wir folgen zunächst der Bahnlinie des „Tren a las nubes“ (Zug in die Wolken). Die Bahn führte einst von Argentinien über die Anden beim Paso Socompa  nach Chile. Heute ist nur noch der Teil von Salta bis San Antonio de los Cobres  als Touristenbahn in Betrieb. Jeweils Samstags startet der Zug um 7 Uhr  in Salta und  kehrt um 22 Uhr zurück. Beim berühmten „Viaducto la Polvorilla“ auf 4200 m.ü.M. ist der Wendepunkt. Wir fahren nicht selbst mit dem Zug, warten aber beim Viadukt auf ihn. Bei Sonnenschein und Temperaturen um die 10 Grad sehen wir den Zug.


Ganz in der Nähe übernachten wir am Samstag Abend auf 3923m ü.M. Am nächsten Morgen beträgt die Aussentemperatur -14 Grad. Als wir aufbrechen, gibt uns der Duro zuerst deutlich zu spüren, dass er solche Bedingungen nicht mag. Lange muss der Anlasser drehen bis der Motor läuft und dabei seinen Unwillen mit viel Rauch aus dem Auspuff anzeigt. Nach einigen Minuten hat er sich aber genügend erwärmt und führt uns danach problemlos über den Paso de Jama nach Chile. Erstmals kommen wir dabei  auf 4830m ü.M.


Bei Peter zeigen sich erste Symptome von Höhenkrankheit. So beschliessen wir, die vorgesehene direkte Route nach Bolivien zu ändern und später allmählich ins Hochland von Bolivien zu fahren. In der Wüstenstadt San Pedro de Atacama bleiben wir fast eine Woche. Bei einem der zahlreichen Tour Unternehmen buchen Margrit, Ernst u. Susanne eine Tagestour in den Süden Boliviens. Peter fühlt sich noch nicht wohl und nutzt die Zeit zur Erholung. Die Fahrt zur Laguna Colorado auf teilweise sehr schlechten Strassen, ist sehr schön, immer auf über 4500m. Der geländegängige PW fährt dabei wesentlich schneller, als wir das mit unseren Fahrzeugen auf solchen Strassen tun. Erstaunt hat der Einsatz des bolivianischen Fahrers. Von seinem Standort war er um 02.00 Uhr in der Nacht losgefahren. 330km mussten er und die Köchin fahren, damit sie um 10 Uhr unsere Dreiergruppe an der chilenisch-bolivianischen Grenze abholen können. Um 17 Uhr steigt die Gruppe wieder aus und der Fahrer muss noch 7-8 Stunden zu seinem Standort Uyuni zurückfahren. Von San Pedro aus macht Margrit mit einer Gruppe eine Wanderung, mehr oder weniger im Flussbett durch die Guatin Schlucht. Auch mit unserem Duro fahren wir durch eine Schlucht. Anders als zwei Radfahrer die uns begegnen, sind wir für die steile Sandpiste gut ausgerüstet. Die beiden sind ziemlich erschöpft und haben kein Wasser dabei. Wir können ihnen helfen und sie werden sich wohl bei einer nächsten Wüstenfahrt besser vorbereiten. Aushelfen können wir ein paar Tage später auch einem Kleinlastwagen. Er steht am Strassenrand. Der Diesel ist ihm ausgegangen. Erstmals brauchen wir so etwas Diesel aus einem der Reservekanister, die wir immer auf dem Dach mitführen.


In Calama wollen wir die zweitgrösste Mine der Welt,  Chuquicamata besichtigen. Wir haben Pech. In Chile sind gerade Winterferien und entsprechend hat es viele Touristen, die dasselbe wollen. Platz in einer Tour hat es erst wieder in einer Woche. Spontan entscheiden wir uns, einen Abstecher an die chilenische Pazifikküste zu machen und in einer Woche wieder nach Calama zurückzukehren. So fahren wir weit durch die Atacama Wüste, wo es kaum Pflanzen gibt. Einzig der Tamarugo-Baum trotzt den nicht vorhandenen Regenfällen und dem versalzenen Boden. Bis der Salpeterboom begann und man für den Aufbau der Orte und Industrieanlagen den Tamarugo-Baum gedankenlos abholzte, waren weite Teile der Wüste damit bewachsen. Die sehr tief reichenden Wurzeln können Grundwasser aus 5-12m Tiefe ziehen. 


1860 entdeckte man in der Wüste umfangreiche Vorkommen von Nitrat (Salpeter), das wertvoller Rohstoff für die Herstellung von Dünger und Sprengstoff war. Damit wuchs plötzlich das Interesse an der Wüste. Die Folge waren Grenzstreitigkeiten zwischen Peru, Bolivien und Chile. 1873 unterschrieben Bolivien und Chile ein geheimes gegen Chile gerichtetes Abkommen. Im Februar 1878 enteignete Bolivien chilenische Salpeterunternehmen und verstiess damit gegen frühere Verträge der Staaten. Darauf erklärte Chile Bolivien den Krieg. Im Gegensatz zu Bolivien und Peru war Chile gut gerüstet und erlangte bald sowohl zur See als auch auf dem Land die Herrschaft. 1904 war der Salpeterkrieg (auch Pazifischer Krieg genannt) mit der Kapitulation von Bolivien und Peru zu Ende. Chile gewann erheblich Land, von Antofagasta bis Arica, und Bolivien verlor den Zugang zum Pazifik. Seit der Erfindung des deutschen Chemikers Fritz Haber, aus Wasserstoff und Stickstoff synthetisch Ammoniak herzustellen (seit 1910 als Haber-Bosch-Verfahren) ging der Abbau von Salpeter drastisch zurück. Chile allerdings fand Ersatz, denn die Atacama Wüste ist sehr reich an Kupfervorkommen. So ist heute Chile der mit Abstand weltgrösste Kupferlieferant.


In Iquique erfahren wir in den interessanten Museen die Geschichte der Region und mit dem nachgebauten Kriegsschiff Esmeralda wird uns gezeigt, wie die beim Seegefechte von Iquique versenkte Korvette aussah. Dabei wurde der chilenische Kapitän und heutige Nationalheld Arturo Prat getötet. In Iquique gibt es eine Freihandelszone mit einem grossen Einkaufszentrum und einem Riesenangebot an Elektronikgeräten. Vom Betreiber des Campings, einem ausgewanderten Schweizer, erfahren wir auch, dass für die Region betreffend Einfuhr von Gütern Spezialbestimmungen gelten. So kann man hier Gebrauchtfahrzeuge einführen, was sonst in Chile nicht erlaubt ist. Allerdings muss man damit in der Region bleiben und darf höchstens 90 Tage pro Jahr im restlichen Teil Chiles damit herumfahren.


In der Nähe von Iquique besichtigen wir zwei Geisterstädte mit Industrieanlagen, Santa Laura und Humberstone. Letztere war 1872 bis 1960 in Betrieb. Abgebaut wurden pro Tag 1492 Tonnen Caliche mit einem Salpetergehalt (NaNO3) von 14%. Damit wurden pro Tag 142 Tonnen Salpeter und 206 kg Jod gewonnen. Damit direkt beschäftigt waren 800 Arbeiter. 


Zurück in Calama machen wir die Tour zur Mine Chuquicamata, einer der bedeutendsten Kupferproduzenten weltweit. Der Tagebau ist ungefähr 4'300 m lang und 3'000 m breit und bis 1'200 Meter tief. Produziert werden  650'000 Tonnen Kupfer pro Jahr. Das sind 5% der weltweiten Produktion. Nach unterschiedlichen Szenarien der Codelco, die das Bergwerk betreibt, soll der Abbau im Tagebau spätestens 2017 enden. Ein intensives Erkundungsprogramm hat weitere Ressourcen in Höhe von 2.3 Milliarden Tonnen Erz mit einem Kupfergehalt von 0,81 Gew.% bis zu einer Tiefe von 1800 Meter unterhalb des Tagebaus nachgewiesen. Rund 20'000 Arbeiter sind bei der Mine beschäftigt, die als die grösste von Menschen erschaffene Grube gilt. Der aus der Kupfergewinnung resultierende Feinstaub ist die Ursache für viele Krankheiten (typisch sind Staublungen, Asthma und einige Krebsarten). Da Chile internationalen Umweltabkommen beigetreten ist, wurden die Bewohner 2004 nach Calama umgesiedelt, um die Gefahr für die Gesundheit der Menschen zu verringern. Das Stadtgebiet ist seitdem hermetisch abgeriegelt, die Häuser stehen aber alle noch und sehen aus, als würden die Einwohner morgen zurückkehren. Die Kupferproduktion ist  eine grosse Umweltverschmutzung. Die Arsen und andere giftige Chemikalien enthaltenden Abwässer, wurden jahrzehntelang direkt in die Wüste entsorgt und verseuchten die Landschaft. Heute wird ein Teil der Abwässer für die Produktion wieder aufbereitet, da Wasser in der Wüste nur unzureichend vorhanden ist und somit teuer herangeschafft werden muss.


Unser nächstes Ziel ist das Hochland von Bolivien. Wir lassen uns Zeit und fahren pro Tag nur etwa so weit, dass wir ab 2500m ü.M. pro Tag nicht mehr als 500 Höhenmeter zulegen. Bei Ollagüe erreichen wir den kleinen Grenzübergang nach Bolivien. Da im Grenzgebäude gerade kein Strom vorhanden ist und damit die Computer nicht funktionieren, müssen wir warten. Die Grenzbeamten und Polizisten sind sehr freundlich,  und als wieder Strom vorhanden ist, können wir nach etwa 2 Stunden in Bolivien einreisen. Zunächst erwartet uns eine miserable Strasse, mit über weite Strecken „Wellblech“. Das sind tiefe Querfurchen über den Weg die uns Geschwindigkeiten von weniger als 30km/h aufzwingen. Das Holpern und die Erschütterungen fordern Menschen und Fahrzeuge stark. Bei uns bricht bei einer Halterung eine Schraube. Mit einem Spannset können wir die losen Teile provisorisch befestigen und im nächsten grösseren Ort, Uyuni, finden wir einen Schlosser, der uns eine neue, stärkere Schraube anschweisst. Die Sache beschäftigt 2 Leute etwa 1.5 Stunden und kostet uns umgerechnet 10 sFr. Während wir warten gesellt sich ein Lastwagenfahrer zu uns. Er berichtet uns, sein Lastwagen lasse sich nicht mehr starten, ob wir nicht für einen Versuch unsere Batterien ausbauen und bei ihm einbauen würden. Wir bieten ihm an, ihn wegzuziehen und uns dann so neben ihn zu stellen, dass wir mit unseren Überbrückungskabeln  arbeiten können. Aus seiner Reaktion auf unseren Vorschlag entnehmen wir, dass er gar keine Batterien mehr hat. Unsere Batterien brauchen wir aber selbst und können ihm deshalb nicht weiter helfen.


Die Nacht bevor wir in Uyuni eintreffen, verbringen wir auf dem „Weissen Meer“ dem Salar de Uyuni. Auf einer Fläche von 12'000 Quadratkilometern, hat es hier eine 3-5m dicke Salzschicht, die wir befahren können. Ursprünglich gehörte der Salar zum grossen Anden-Binnenmeer Lago Minchins. Als der gewaltige Ursee vor Jahrmillionen austrocknete, blieben Salzseen wie der Salar de Uyuni zurück. Nach etwa 80km Fahrt auf dem Salzsee steuern wir die Insel Isla Grande an. Ohne Probleme finden wir eine trockene Stelle wo wir vom Salzsee auf das Festland fahren können. Erstaunt sind wir von der Temperaturänderung. Auf dem Salz haben wir rund 0 Grad, wenige Meter daneben auf der Insel sind es 12 Grad. Alleine auf der Insel – das gefällt uns und wir übernachten hier auf 3680 m.ü.Meer. Vorsorglich haben wir zu den Daunendecken auch unsere Schlafsäcke ausgegraben. Denn unsere Dieselheizung funktioniert ab etwa 3400m Höhe nicht mehr. So haben wir trotzdem in der Nacht schön warm. Und gegen 8.30 Uhr kommt am Morgen die Sonne und wärmt kräftig.

 

Unsere nächste Tagesetappe beträgt 120km, davon 100km auf dem Salz. Dabei benötigen wir für die restlichen 20km gleich lang wie für die 100km auf dem Salz. Die Piste ist dermassen schlecht, dass wir es den Lastwagen gleich tun und wenn immer möglich neben der Strasse fahren. So gelangen wir schliesslich nach Uyuni und suchen uns einen sicheren Platz. Den finden wir gleich vor der Kaserne, bei der militärischen Wache. Sie erlaubt uns, unser Fahrzeug dort stehen zu lassen und auch in der Nacht dort zu schlafen. So gut bewacht wie während der knapp 3 Tage in Uyuni, war unser Fahrzeug bisher kaum.


In unserem Reiseführer steht, die Strasse zu unserem nächsten Ziel, der Stadt Potosi, sei schlecht. Die Leute erzählen uns aber, die Strasse sei kürzlich asphaltiert worden, mit Hilfe von Geldern aus Europa. Die Strasse ist tatsächlich in ausgezeichnetem Zustand, und wir kommen gut voran. Wermutstropfen sind Dieselpreise und Strassenzoll. Seit anfangs Jahr zahlen Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen in Bolivien fast den dreifachen Preis. Mit umgerechnet 1.35 sFr pro Liter sind wir aber noch nicht auf Schweizer Niveau.


Potosi war über Jahrhunderte die reichste Stadt der Welt. Das verdankte sie dem 4800m hohen Cerro Rico, dem „reichen Berg“, der die Stadt überragt und einst voller Silberadern war. Doch das Silber ist ausgebeutet und die 240'000 Einwohner müssen sich mit den Resten an Zinn-und Zinkerz, die dem Berg abgetrotzt werden begnügen. Ohne grosse Hoffnung, fragen wir bei einem Tour Unternehmen an, ob auch Peter mit dem Rollstuhl eine Mine besichtigen könne. Olga, die sehr nette Führerin meint, da liesse sich schon etwas machen. Am nächsten Morgen führt sie uns, noch bevor die Minenarbeiter Sprengungen durchführen und allzu viel Material durch die Minenschächte transportieren, zum Mineneingang „Maria“. Wir werden mit Überkleid, Stiefel und Helmen ausgestattet und dringen einige hundert Meter in die Stollen hinein. Als Geschenk bringen wir den Minenarbeitern Dynamit und Zündschnüre, aber auch Lebensmittel mit. Die Mineure arbeiten hier auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko unter miserablen Bedingungen. Das zeigt sich z.B. an der geringen Lebenserwartung von 39 Jahren. Obwohl seid einigen Jahren das Gesetz es Kindern unter 14 Jahren verbietet in der Mine zu arbeiten, kommt es immer noch vor. Jetzt einfach nachts, wenn die staatlichen Kontrolleure nicht in den Berg kommen. 


Bevor wir in die bolivianische Hauptstadt Sucre fahren, machen wir einen Abstecher zum Sonntagsmarkt in Tarabuco. Hier treffen wir Karl und Dorothea mit ihrem Reisemobil wieder. Die beiden waren mit uns auf dem Schiff von Hamburg nach Buenos Aires. Wir schlendern durch den grossen Markt, wo die Menschen aus den umliegenden Dörfern mit ihren farbenprächtigen Kleidern einkaufen, was sie für den täglichen Bedarf brauchen. Etwas abseits finden wir in der Nähe einer Bauernhütte einen Übernachtungsplatz. Ganz scheu nähern sich uns langsam 4 kleine Kinder. Später gesellt sich deren schwangere Mutter dazu und findet grossen Gefallen an unserem Campingtisch. Sie hätte wohl auch gerne einen Tisch in ihrem Haus, kann sich das aber nicht leisten. Um mit uns zu reden, braucht sie die Kinder als Dolmetscher, da sie kaum Spanisch spricht. Ausserdem kann sie wohl, wie 40% der Bolivianer, weder Lesen noch Schreiben und die Familie muss sich wahrscheinlich mit weniger als 1 sFr. Einkommen pro Tag leben.

 

Nun sind wir in in Sucre, der Hauptstadt von Bolivien. Im bisher schönsten Camping unserer Reise, mitten in der Stadt, das nebenbei von  Don Alberto und seiner Frau Felicidad mit viel Liebe geführt wird. Wir fühlen uns sehr wohl und nutzen Ruhe, Zeit und Internet, um unsere weitere Reise  zu planen. Eines wissen wir, das Wetter ist schön. Seit 71 Tagen haben wir keinen Regen mehr gehabt, Sonnenschein von etwa 7.30 bis 18 Uhr gibt es garantiert.